Wallfahrtskirche St. Nikolaus

Nikolauskirche

Die Wallfahrtskirche St. Nikolaus in Torren steht beherrschend auf einem Konglomerat Felsplateau am Fuße des Hohen Göll, auf dem Weg zum Gollinger Wasserfall.

Die Kirche wird 1444 erstmals urkundlich erwähnt. Wie in Golling fehlen Grabungen nach eventuellen Vorgängerbauten, sodass das Alter der ersten Torrener Kirche unbekannt ist. Da St. Nikolaus am 18. Oktober 1517 von dem Chiemseer Bischof Berthold Pürstinger konsekriert wurde und das Chorgewölbe die Jahreszahl 1515 trägt, gilt die heutige Kirche als Neubau aus den Jahren  l515—1517. Sie ist ein einschiffiger, verputzter und weiß gefärbelter Bruchsteinbau mit polygonalern Chor in 3/8 Schluß.

Chor und Langhaus sind gleich hoch, haben ein gemeinsames Satteldach und ein umlaufendes gotisches Hohlkehlgesimse aus Konglomerat. Der Dreiecksgiebelfassade im Westen ist ein hoher Turm aus verputzen Konglomeratquadern mit barockem Doppelzwiebelhelm vorgebaut, der erst 1724 vollendet war. Drei spitzbogige Öffnungen führen in die kreuzgratgewölbte Turmhalle. Das spitzbogige Westportal hat ein abgeschrägtes Konglomeratgewände, das über dem glatten Sockel mehrfach gekehlt ist. Der äußerste Bogen ist verstäbt, das heißt die Stäbe kreuzen sich im Scheitel.


Das nördliche Seitenportal ist heute vermauert. Die an der äußeren Nordwand angebaute, kreuzrippengewölbte Halle mit rot geschlemmten Gurtrippen, war einst die Vorhalle für diesen nicht mehr bestehenden Seiteneingang. Vor dem Anbau der Sakristei war sie an beiden Seiten bogenförmig geöffnet. In der Nordwand ist auch die Tür zur Kanzelstiege. Die polygonale Außenkanzel auf hohem Postament hat eine Brüstung aus rotem Adneter Marmor und einen hölzernen Schalldeckel mit Schindeldach. Im Dehio Salzburg wird diese Kanzel um 1677 datiert, sie ist jedoch älter, wie aus einem Kostenvoranschlag vom 04.09.1676 ersichtlich ist. Dort heißt es: „umb die alt steinerne Canzl gegen den Plaz herauß etwas zu erheben und mit einem Schardächl zuversehen“, nebst anderen Reparaturen 20 Gulden. Daher könnte die für Predigten im Freien gedachte Außenkanzel schon aus dem 16. Jahrhundert stammen. Ein Beweis dafür, dass St. Nikolaus bereits sehr früh eine viel besuchte Wallfahrtskirche gewesen sein muss. An zwei weiteren Kirchen der Umgebung gibt es noch heute solche marmorne Außenkanzeln: In St. Margarethen (1679 datiert) und auf dem Georgenberg (1649).

Um 1900 war das Bauwerk vom Verfall bedroht. Erzherzog Franz Ferdinand, der das Kirchlejn 1912 während der Jagd besuchte, versprach, die Renovierung selbst in die Wege zu leiten. 1913 wurde die Re st a u r i er u n g unter Aufsicht des Denkmalamtes begonnen. Dabei zeigte sich, dass fast armdicke Wurzeln von Haselsträuchern die Kirchenmauer durchbrochen und sich unter den Bodenplatten reich verzweigt hatten, was die Ursache für die zahlreichen Mauerrisse gewesen war. Außerdem wurden bei der Restaurierung auch die baulichen Veränderungen aus der Barockzeit wieder rückgängig gemacht. Die im 18. Jahrhundert vermauerten Spitzbogen und Steingewände der gotischen Fenster wurden wieder freigelegt. Die im Mauerschutt gefundenen Maßwerkfragmente aus Gußstein konnten jedoch nicht wieder in die Fenster eingesetzt werden. Nur das Ostfenster hat noch das gotische Fischblasenmaßwerk aus Konglomerat mit alten Butzenscheiben. Die Abbildungen in der Kunsttopographie zeigen die Kirche mit den barock umgestalteten Rechteckfenstern.

Das Scheinrippennetzgewölbe drohte herabzustürzen und musste mit Klammern hinaufgehängt werden. Wie in Golling waren auch hier die gotischen Rippen dick übertüncht gewesen und mussten freigelegt werden. Dabei zeigte sich, dass sie teilweise aus Kunststein, teilweise aus Nagelfluh (Konglomerat) bestehen und an der Westempore rosa getönt sind. Nach Abschluss der Arbeiten galt St. Nikolaus neben St. Leonhard in Tamsweg als bestrestaurierte Landkirche Salzburgs. Dennoch scheint das Restaurierungsdatum 1913 im Chorgewölbefeld nicht auf, sondern nur das von 1965.
Der ganze Reichtum der spätgotischen Architektur entfaltet sich erst im Inneren der Kirche. Der einschiffige Raum endigt in einem 3/8 Schluß. Der Chor ist nicht eingezogen und sondert sich vom Langhaus auch nicht ab, da auf die Anbringung eines Triumphbogens verzichtet wurde. Den Beginn des Chorraums markiert nur eine Stufe. Das dreijochige Netzrippengewölbe auf Runddiensten hat eine Figuration aus achteckigen Sternen, der Chor hat eine achtstrahlige Sternfügung. An den Schnittpunkten der Rippen sind im Chor 11 Wappenschilde angebracht, die den Rankenschlußstein aus Steinguß umgeben. Aus dem Restaurierbericht von 1913 wissen wir, dass das Scheinrippennetzgewölbe aus Kunststein- und Konglomeratrippen gebildet ist. Der Kunststein wurde offenbar verwendet, da er elastischer ist.

Ansonsten gibt es keine Kirchen im ehemaligen Pfleggericht Golling, die Netzbildungen aus achteckigen Sternen haben. Die Schilde an den Schnittstellen der Rippen werden wie in Vigaun mit Wappen bemalt gewesen sein, die Hinweise auf die Bauherren und Stifter der Kirchen gegeben hätten.
Den Höhepunkt bildet die dreischiffige, ein Joch tiefe Westempore, die auf zwei roten Marmorsäulen bzw. auf Konsolen ruht und mit einem Netzrippengewölbe aus Steinguss unterwölbt ist, nach Walther Buchowiecki in Dreiparallelrippen-figuration. Nach Osten öffnet sich die Empore in drei Kielbogenarkaden, die mit profilierten Stäben eingefasst sind. Die mittlere Arkade ist wie das Westportal im Scheitel verstäbt. Die Emporenfront ist doppelt geknickt, so dass zwei schräg vorgezogene Seitenteile einen geradlinigen Teil in die Mitte nehmen. Das Schmuckstück ist das Blendmaßwerk der Balustrade, das im geraden Mittelteil sogar durchbrochen ist.

 Das Fischblasenmaßwerk ist verstäbt und hat nasenartige Rippenfortsätze. Diese Art von Westemporen, wie die in Golling, Torren, Kuchl, Georgenberg und Scheffau hält Dambeek für eine Erfindung der Salzburger Bauhütte, da sie in Salzburg gehäuft auftreten. Für diese Annahme spreche auch die Verwendung von Steinguss für die Balustraden und Gewölbe. Die Steingusstechnik hat ja eine alte Salzburger Überlieferung. Die Erfindung wird dem heiligen Thiemo, Erzbischof von Salzburg (gestorben 1101) zugeschrieben, der in seiner Lebensbeschreibung als Meister der Gießkunst gerühmt wird. Kurt Rossacher  prägte daher den Ausdruck „Thiemonischer Steinguss“. Diese Technik erreichte auf dem Gebiet der Plastik in der Zeit des weichen Stiles (1390—1430) ihren Höhepunkt.

Die sogenannten „Schönen Madonnen“ und auch andere Heiligenfiguren wurden aus diesem Material hergestellt, man denke nur an die hl. Margarethe aus Vigaun. Im späten 15. Jahrhundert wurde dieser Kunststein auch für Rippen und Maßwerk verwendet und das in Kirchen, die nicht weit von den Adneter Marmorbrüchen entfernt sind. Nach Günter Brucher haben die oben genannten Brüstungen, die in prachtvollen Masswerkformen durchbrochen sind, auch oberösterreichischen Emporen manches zu verdanken. Mit dem dort entfalteten Schmuckreichtum können die Salzburger aber nicht konkurrieren.


Leider ist in Torren das Steinmetzzeichen über dem leeren Steingussschriftband an der Südwand beim Aufgang zur Empore noch nicht gedeutet, so dass Meister oder Bauhütte nicht bekannt sind. Am ehesten lassen sich Bezüge zu Werken des Salzburger Hofmaurermeisters Peter Intzinger herstellen, der im Jahre 1493 mit dem Bau der Pfarrkirche in Petting (Landkreis Traunstein, Bayern) begann und dem auch die 1485—1491 erbaute Margarethenkapelle im St. Petersfriedhof zu Salzburg zugeschrieben wird. Das Westportal der Kapelle hat im Giebelfeld ein Fischblasenmaßwerk, das mit jenem der Torrener Westempore verglichen werden kann. Verstäbungen kommen aber nur in den Figurenbaldachinen und im Torgewände vor. Bei den Gewölben Intzingers bilden die Rippen ebenfalls nasenartige Fortsätze wie in Torren.


Am 18. Oktober 1517 weihte Bischof Berthold Pürstinger drei Altäre in St. Nikolaus in Torren: den Hochaltar zu Ehren der hll. Nikolaus, Virgil und Christophorus, einen zweiten zu Ehren der hll. Laurentius und Vinzentius und einen dritten zu Ehren des hl. Vitus. Die heutige K i r c h e n e in r i c h t u n g stammt aus dem 18. Jahrhundert und wird daher erst in dem Kapitel über die Barockkunst behandelt. Noch aus gotischer Zeit sind das Weichwasserbecken aus rotweiß gesprenkelten Adneter Marmor-, dessen Becken mit acht gekehlten Außenseiten auf einem achtseitigen Säulenfuß ruht, im Ostchorfenster die Wappenscheibe der MüllerInnung: zwei gekreuzte Holzschaufeln auf rotem Grund (um 1520), das Triumphbogenkreuz mit den wohl dazugehörigen Assistenzfiguren von Maria und Johannes, und schließlich eine kleine Glocke mit gotischer Minuskelumschrift: „Ave maria gracia plena dominus tecum“, die in das 15. Jahrhundert datiert wird. Eduard Angermann bezeichnete die Kirche St. Nikolaus zu Recht als ein Juwel im Salzburger Land. Dieses Prädikat verdankt sie der herrlichen Gewölbefiguration und der Westempore mit der an Spitzenwerk gemahnenden Steingussbalustrade.
Die Zeit des Barock Im 17. und 18. .Jahrhundert wurden im Pfleggericht Golling nur drei Kirchen und einige Kapellen neu gebaut. Man begnügte sich, die gotischen Kirchen durch Anbauten zu erweitern, wie z. B. in Golling, und die Kirchtürme mit barocken Turmzwiebeln zu bekrönen, wie auch in Golling und Torren. Nur die Kircheneinrichtungen wurden im 17. und 18. Jahrhundert fast gänzlich erneuert.

In diesem Kapitel wird die Barockisierung der Kirchen in Golling und Torren behandelt. Ein weiteres Thema ist die im 18. Jahrhundert neu erbaute Kapelle Maria Brunneck am Paß Lueg. Den Abschluss bilden die Gollinger Barockmaler.